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RECHT AKTUELL
Nationalfeiertag: Justizpalast mit Rückblick auf das Jahr 1927; Alea iacta est: Österreich klagt Deutschland beim EuGH.
Am österreichischen Nationalfeiertag, den 26. Oktober, öffnete auch der imposante Wiener Justizpalast seine Tore für rund 1.700 Besucherinnen und Besucher, die sich über die Grundsätze der ordentlichen Gerichtsbarkeit und die geschichtsträchtige Vergangenheit des Wiener Justizpalastes informierten. Der sehr große Besucherandrang dürfte auf das verschärfte Interesse der Menschen für Recht und Ordnung und der damit verbundenen Institutionen sein, vor allem auch in Hinblick auf die dramatischen Ereignisse im Juli 1927. Das damals als ungerecht empfundene Gerichtsurteil am Wiener Straflandesgericht führte zu einer bürgerkriegsähnlichen Demonstration mit der Erstürmung des Justizpalastes, in dessen Folge durch den Schießbefehl der Wiener Polizei 89 Personen ums Leben kamen.
Wo lag der Ausgangspunkt der Ereignisse? Am 30. Jänner 1927 wurden laut zuverlässigen Quellen des Strafaktes von damals im burgenländischen Ort Schattendorf im Zuge einer Versammlung von zwei gegnerischen politischen Lagern ein knapp siebenjähriges Kind und ein Erwachsener erschossen und fünf weitere Personen verletzt. Mit regem politischen und medialen Interesse wurde sodann der Gerichtsprozess verfolgt, der vom 5. bis 14. Juli im großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichts durchgeführt und mit einem Freispruch der angeklagten Todesschützen endete.
Vorrangiger Kritikpunkt an dem Gerichtsurteil war, dass die Anklage nicht auf Mord lautete, sondern auf das „Verbrechen der öffentlichen Gewalttätigkeit durch boshafte Handlungen unter besonders gefährlichen Verhältnissen“. Also ein Gefährdungsdelikt, qualifiziert durch den Tod zweier Menschen. Sowohl die Anklage, als auch das damalige Urteil seien jedoch nach Ansicht von Spitzenjuristen, wie dem heutigen Präsidenten des Wiener Straflandesgerichtes Dr. Friedrich Forsthuber, durchaus nachvollziehbar.
Das Gericht selbst setzte sich aus zwölf Geschworenen und drei Berufsrichtern zusammen und im umfangreichen Beweisverfahren wurden zahlreiche Zeugen einvernommen und Sachverständige konnten ihre Expertisen vorlegen. Anders als heute war jedoch für eine Verurteilung eine Zweidrittelmehrheit der Geschworenen für einen Schuldspruch erforderlich, die jedoch bei keiner der an sie gerichteten Fragen erreicht wurde. Im Ergebnis führte dies zu einem vollständigen Freispruch für alle Angeklagten, den die Geschworenen nicht begründen mussten.
Keine Chance der Richter das Urteil auszusetzen
Aufgrund der gültigen Strafprozessordnung war es den Berufsrichtern damals nicht möglich gewesen, einen für den Angeklagten vorteilhaften Wahrspruch der Geschworenen auszusetzen und auch die Rechtsmittelgründe waren restriktiver als heute, weswegen die Staatsanwaltschaft keine Nichtigkeitsbeschwerde erhob. Als der Freispruch am Abend des 14. Juli 1927 – eben ohne inhaltliche Begründung – verkündet wurde, kam es bereits zu ersten Feindseligkeiten durch Demonstranten. Ob die durch Führungslosigkeit gekennzeichneten Massen den Wiener Justizpalast tatsächlich als Symbol der Klassenjustiz sahen, Wachbeamte einen Angriff provozierten oder sich die aufgestaute Wut zufällig gerade dort entlud, lässt sich heute nicht mehr genau klären.
Die damals augenscheinlichen Mängel des Geschworenen-Verfahrens wurden bis heute schrittweise aber nur zum Teil behoben. Für einen Wahrspruch der Geschworenen genügt seit dem Jahr 1951 die einfache Mehrheit. Die Berufsrichter im entscheidenden Gericht können, wenn sie darin übereinstimmen, den Wahrspruch der Geschworenen aussetzen. Ein völlig neues Verfahren wird dann durchgeführt. Allerdings müssen die Geschworenen ihre Entscheidung nach wie vor nicht begründen. Der Vorschlag, die Berufsrichter dadurch stärker in das Verfahren einzubinden, dass sie gemeinsam mit den Geschworenen beraten, ist noch nicht Konsens, wäre aber nach Ansicht von renommierten Rechtsexperten ganz wesentlich.
Alea iacta est: Österreich klagt Deutschland
Auf Initiative von Infrastrukturminister Jörg Leichtfried hat das Bundeskanzleramt am 12. Oktober 2017 beim Europäischen Gerichts in Luxemburg die Vertragsverletzungsklage gegen die Bundesrepublik Deutschland eingebracht. Grund ist das Infrastrukturabgabengesetz und zweites Verkehrssteueränderungsgesetz („PkW-Maut neu“) der Deutschen Bundesregierung, das nun direkt vor dem EuGH bekämpft wird. Dieses Gesetz hätte von der Europäischen Kommission selbst durch eine Aufsichtsklage gemäß Artikel 258 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) innerhalb von drei Monaten verfolgt werden können. Und da Kommission aus politischen Gründen nicht tätig geworden ist, kann von einem oder mehreren Mitgliedsstaaten eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 259 AEUV beim EuGH eingebracht werden, was nun von Österreich geschehen ist. Nach Ansicht des Europarechtsexperten Univ.-Prof. Dr. Walter Obwexer von der Universität Innsbruck kommt der Klage eine begründete Aussicht auf Erfolg zu. Das von Deutschland beschlossene Gesamtpaket beinhaltet nämlich auch in der geänderten Fassung eine Koppelung der Infrastrukturabgabe mit einer kompensierenden Senkung der Kfz-Steuer für Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen. Eine derartige Regelung ist beim derzeitigen Stand des Unionsrechts im Lichte der einschlägigen Rechtsprechung des EuGHs als hinreichend qualifizierte Verletzung von Artikel 18 und Artikel 92 AEUV zu werten.